Vom Charisma der Ehelosigkeit bei Paulus

Von der Gabe der Ehe und der Ehelosigkeit sagt Paulus in 1 Kor 7,7 ein Wort, das sehr ähnlich klingt wie ein Herrenwort. Er sagt: „Ich möchte zwar, dass alle Menschen so seien wie ich (nämlich ehelos), aber jeder hat seine eigene Gnadengabe (Charisma) von Gott her, der eine so, der andere so.“

 

Zwar möchte der Apostel wegen der für bald erwarteten Wiederkunft des Herrn (1 Kor 7,26-31), dass alle Menschen ehelos seien wie er, aber er fügt sofort hinzu, ähnlich wie der Herr, ein großes Aber, eine Warnung bei: Das ist nicht möglich, weil es dafür einer eigenen Gnadengabe Gottes bedarf. Seinem Wunsch, alle Menschen ehelos zu sehen, ist also offenbar eine unübersteigbare Grenze gesetzt. Sie besteht in der verschiedenen Begabung der Menschen, des einen mit der Ehelosigkeit, des anderen mit der Ehe.

Beide sind nach dem Wortlaut des Textes Charismen, „Gaben von Gott her“. In diesem Ursprung aus Gott sind sie ebenbürtig. Und entscheidend für unsere Fragestellung: Der Empfänger der Gabe der Ehe kann offenbar nicht zum Empfänger der anderen Gabe werden, sonst wäre der Wunsch Pauli, alle ehelos zu sehen, ja erfüllbar.

Auch hier ist wieder die Beachtung der Zeitform wichtig: „Jeder hat seine eigene Gnadengabe von Gott her, der eine so, der andere so.“ Paulus sagt das so, wie wenn dieser Zustand eine unabänderliche Tatsache wäre, eine von Gott gegebene und vorgegebene Verschiedenheit der Menschen, die nicht aufhebbar ist. Auch durch Beten ist an diesem Zustand offensichtlich nichts zu ändern, sonst hätte Paulus dazu aufgefordert, wie er es bei anderen Charismen ganz selbstverständlich tut.

So sagt er etwa 1 Kor 12, 31: „Bemüht euch um die höheren Gnadengaben“, besonders um die Liebe, dessen Hohes Lied er anschließend singt, um dazu einzuladen (1 Kor 13). Die Liebe ist ein „Weg“, wie er 12,31 sagt, für alle. Die Ehelosigkeit dagegen ist „nicht für alle“, weil sie nicht allen „von Gott gegeben ist“. Um die Gnadengabe der Ehelosigkeit kann man sich also nicht bemühen wie um die höheren Charismen. Ehe und Ehelosigkeit sind vorgegebene Gottesgaben, die man nur annehmen und zur Entfaltung bringen, die man aber nicht erzwingen kann. Gebet würde am Zustand der verschiedenen Begabung nichts ändern, es könnte nur die Beharrlichkeit und das Stehen in der Gnade zum Ziel haben. – Erst spät, nach der Reifung in der Ehe, kann vielleicht der Stand der Witwenschaft an die Stelle der Ehe treten.

  • Wo Paulus von den für den Aufbau der Kirche wichtigen Charismen (Gnadengaben) spricht, fehlt die Ehelosigkeit. Wo er aber von der Ehelosigkeit spricht, geschieht dies in einer Reflexion über Ehefragen [1], ohne Bezug zur Kirche. Sowohl die Ehe als auch die Ehelosigkeit werden als Charismen bezeichnet, die nicht in unserem Ermessen liegen, sondern von Gott gegeben sein müssen: „Jeder soll so leben, wie der Herr es ihm zugemessen hat, wie Gottes Ruf ihn getroffen hat. [2]
  • Wo aber Paulus von der Ehelosigkeit spricht und sie empfiehlt, verweist er auf sein eigenes Beispiel und nicht auf Jesus und betont, dass er darüber „kein Gebot des Herrn“ habe.[3]  Dabei wäre ein Hinweis auf Jesu Beispiel doch das stärkste Argument gewesen. Paulus begründet seine persönliche Option und seinen Rat zur Ehelosigkeit nur mit der „Kürze der Zeit“, die noch bis zur Wiederkunft Christi zur Verfügung stünde. Er meinte, die Wiederkunft Christi und damit das Ende der Welt stünde unmittelbar bevor, und er wollte die Christen dadurch vor den bevorstehenden Nöten bewahren.

Für keinen Amtsträger wurde die Ehelosigkeit im Neuen Testament als Voraussetzung für ein Dienstamt verlangt.

  • Im 1. Timotheusbrief  verlangt Paulus (bzw. ein Paulusschüler) sogar, dass ein Bischof, damals der Vorsteher einer Gemeinde, verheiratet sein musste, damit er ein guter Bischof sein könne. Es heißt dort: „Der Bischof soll ein guter Familienvater sein und seine Kinder zu Gehorsam und allem Anstand erziehen. Wer seinem eigenen Hauswesen nicht vorstehen kann, wie soll der für die Kirche Gottes sorgen?“   [4]
  • Und im 4. Kapitel dieses Briefes wird er noch direkter. Er schreibt: „Der Geist sagt ausdrücklich: In späteren Zeiten werden manche vom Glauben abfallen; sie werden sich betrügerischen Geistern und Lehren von Dämonen zuwenden, getäuscht von heuchlerischen Lügnern, deren Gewissen gebrandmarkt ist: Sie verbieten die Heirat und fordern den Verzicht auf bestimmte Speisen, die Gott doch dazu geschaffen hat, dass die, die zum Glauben und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangt sind, sie mit Danksagung zu sich nehmen. Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Dank genossen wird; es wird geheiligt durch Gottes Wort und durch das Gebet“. [5]

[1] 1 Kor 7
[2] 1 Kor 7, 7 und 1 Kor 7, 17.
[3] 1 Kor 7, 25.
[4] 1 Tim 3, 4 f.
[5] 1 Tim 4, 1 – 5

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert